2cv Raid Marokko – Fazit Georges

Verfasst am Tag 20+21, den letzten beiden Tagen meiner Reise.

Meine Marokko-Reise ist vorbei. Ich sitze hier auf Deck der GVN Fantastic. Die Sonne scheint, der Horizont ist weit und ungebrochen. Der massive Diesel stampft, die Power ist spürbar. Die Araber schwatzen endlos. Keine Verpflichtungen die nächsten 2 Tage, nur warten und geniessen. Ich drifte ab. Die Gedanken sind frei, Erinnerungen kommen hoch. Zeit, um Bilanz zu ziehen.

Was war das für eine spannende, fordernde und gleichzeitig erfüllende Reise! Meine Erinnerungen und Gedankenbilder dazu gehen in zwei Richtungen.

An erster Stelle stehen unbedingt unsere Döschwos. Zuhause angelangt, hat uns die treue O(u)rsina dann insgesamt über 4000km der Welt gezeigt. Davon 560km Piste der meist üblen Sorte. Sie hat tagelang Sand und Staub geschluckt. Sie hat unzählige, steilste Pässe überwunden, ist über Autobahnen geeilt und fand ihren Weg durch dichtestes Stadt- und Marktgewühl. Sie tat dies klaglos, zuverlässig und mit endlosem Elan. Immer waren es die Fahrer, welche Abends schlapp machten.

O(u)rsina hat auf dieser Reise Freundinnen gefunden. Da war die hochgezüchtete, ausgeklügelte Waffe von Francis und Dany. Der Charleston von Marc und Pierre in perfektem Serienzustand. Und schliesslich die abgegriffene Dyane von Patrick und Nicole mit ihrer Vorliebe für Motornoel.

Keines dieser Schätzchen hat Probleme gemacht. Obwohl wir alles gaben! Die Wägelchen in den Sand setzten, brutal wieder rausrissen und im ersten Gang bei über 40 Grad endlose Steigungen hochprügelten. Sie steckten alles klaglos weg. Klar, ein Radwechsel hier und eine Schraube nachziehen da, gehören zum Geschäft. Macht man selbst. Für unseren begleitenden Mechaniker Sedik aber gabs bei unseren Maschinen einfach keine Arbeit 🙂

Das war bei der Bretonen-Gruppe Maroc & Pôtes anders. Die schweissten und schraubten praktisch jeden Abend. An mehreren Fahrzeugen. Vielleicht war die wohl agressivere Fahrweise der mehrheitlich jüngeren Fahrer zum Teil verantwortlich. Ich weiss es nicht. Vielleicht auch die bei ihnen offensichtlich grassierende, französische Bricolage?!

In meiner Erinnerung sind unsere Fahrzeuge untrennbar mit den Bildern der durchfahrenen Gegenden verbunden. Marokko ist ein unglaublich vielfältiges Land. Es hat uns praktisch jeden Tag mit neuen Landschaften verwöhnt. Klar sind es endlose Variationen des Grundthemas Sand und Stein. Aber in immer wieder neuen Formen und Farben.

Marokko ist gross. Die Schweiz passt fast 11 Mal in das Land. Und es ist leer, vorallem im Süden. Es verwöhnt unsere beengten Köpfe mit riesigen Horizonten und endlosen Weiten. Es tut so gut, hier die Augen schweifen und die Seele baumeln zu lassen.

Marokko ist jung und freundlich. Aus jedem Haus rennen dir lachende, kreischende Kinder entgegen. Bei den zahlreichen Schulen versammeln sich viele, viele Kinder und Jugendliche. Alle rufen, lachen und winken. Die Alten grüssen freundlich aus ihren Cafés. Der Döschwo ist auch hier ein Sympathieträger erster Güte. Aber im Gegensatz zum R4 ist er komplett ausgestorben. Seltsamerweise sieht man nirgends Épaves wie mancherorts in Frankreich. Auch Autoabbrüche fehlen völlig.

Marokko ist auf dem Sprung. Die Bautätigkeit ist abartig. Der Staat erstellt Infrastrukturen wie Schulen, Spitäler, Sport- und Verwaltumgskomplexe in riesigem Ausmass und atemberaubendem Tempo. Das Strassennetz ist in gutem Zustand und wird laufend erweitert. Stauseen entstehen. Endlose Wasserleitungen werden gezogen und Brunnen gegraben. In jedem Dorf werden Häuser gebaut oder aufgestockt. Überall im Land gibt’s 4G für die omnipräsenten Handys.

All diesen positiven Aspekte stehen im krassen Gegensatz zu den Problemen aus der Vergangenheit. Die klassische Rollenteilung, d. h. der Mann schwatzt im Café und die Frau arbeitet. Die sichtbare Rückständigkeit im Rifgebirge. Hier wähnt man sich im Mittelalter. Der massive Migrationsdruck aus dem Süden. Daraus resultiert eine erdrückende Polizeipräsenz im ganzen Land. Sie manifestiert sich in unzähligen Strassenkontrollen. Die heute noch spürbare Borniertheit der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich und ihrer Bürger. Das mangelnde Umweltbewusstein, für uns unbegreiflich und erschütternd. Der (wahrscheinlich) bescheidene Bildungsstand der älteren Generation (es gibt im ganzen Land keine Lesebrillen!) Die penetrante Servilität in den vom Tourismus stark geprägten, oder besser befallenen Orten. Nur dort, sonst ist der Marokkaner freundlich und eher zurückhaltend. Und über all dem das Damoklesschwert des fanatischen Islam. Marokkos Frauen verhüllen sich scheints zunehmend.

Ich wünsche dem Land einen friedlichen Weg in eine ausgeglichene, demokratische Zukunft. Eine gesunde Balance zwischen Tradition und Moderne. Der infrastrukturelle Kraftakt ist bewundernswert und in dieser Hinsicht sicher richtig. Es wird sich weisen, ob er ausreicht, um die alten Dämonen in die Schranken zu verweisen. Es ist dem Land und seiner jungen Bevölkerung wirklich zu wünschen. Schliesslich geht es um einen der letzten freien Staaten Nordafrikas. Und um eine wunderbare Reisedestination! Für mich, unsere tolle Reisegruppe und nicht zuletzt für Dich, lieber Leser!

PS: Ihr findet sämtliche Fotos und Videos meines 2CV Raids Marokko wie gewohnt in unserem Media-Pool. Admin