Döschwo – einst und jetzt

Döschwofahren – eine politische und gesellschaftliche Schlangenlinie 

(eine treffende Betrachtung von Henry Oehrli)

 

Seit den 70er-Jahren fahre ich mit einem Döschwo durch die Lande. Die unglaublich einfache, überschaubare und funktionelle Technik muss ich hier sicher nicht mehr ausführlich erklären.  Vieles, das mich in meinem bisherigen Leben begeisterte und faszinierte, hat mit den Jahren seinen Reiz und die Wichtigkeit verloren.

Mein Döschwo hat meine Wertschätzung aber nie verloren. Ganz im Gegenteil! Hat mich doch dieses charaktervolle Gefährt an unzählige schöne und interessante Orte getragen.

 

Grundsätzlich ist der Döschwo, wie jedes andere Fahrzeug, nichts anderes als ein Haufen Metall, Kunststoff, Glas und Gummi. Die Volksmeinung über den 2CV und seine Besitzer änderte sich aber im Verlauf der Jahrzehnte extrem. 

 

70er-Jahre: 

Döschwofahrer sind knapp bei Kasse, oft noch mitten im Studium und agieren politisch tendenziell links. Die Oelkrise und der daraus resultierende Preissprung des Benzins steigern die Attraktivität des sparsamen Franzosen. Das aufkommende Umweltbewusstsein fördert den Kauf von spritsparenden Autos.

Als Döschwobesitzer ist man also ein Linker, ein Grüner oder eventuell ein Althippie. 

 

80er-Jahre:

Der Katalysator wird nun zunehmend in die neuen Benzinfahrzeuge eingebaut. Das Stirnrunzeln beim Anblick eines 2CV’s ist nun bei der Bevölkerung Programm. In der Annahme, hinter dem Katalysator käme Frischluft aus dem Auspuff und beim Döschwo sei es die absolute Giftwolke, wird man nun Besitzer einer Dreckschleuder.  Der effektive Benzinverbrauch der Neuwagen spielt jetzt keine grosse Rolle mehr …

Als Döschwobesitzer ist man nun ein Luftverschmutzer, zudem gesellschaftlich ein Versager,  weil man sich kein neues modernes Auto leisten kann.  Politisch wird man nun in der Mitte bis Rechts gesehen. 

 

90er-Jahre:

Die Sicherheit der Fahrzeuge machte enorme Fortschritte. Der Döschwo ist ein fahrender Risikofaktor. Kein Aufprallschutz, keine Airbags, schlechtes Licht, miserable Beschleunigungswerte usw. Die Produktion der «Ente» wird eingestellt.  Nun verbrauchen die gängigen Kleinwagen weniger Benzin, sind schneller und sicherer.

Als Döschwobesitzer rutschte man gesellschaftlich auf die unterste Stufe. Man fährt einen uneffizienten Benzinsäufer, der zudem eine Gefahr ist für das Leben der Insassen und der Verkehrsteilnehmer. Politisch wird man als Nullnummer erkannt, also weder Grün, Rot, Braun, Links, Mitte oder Rechts.  

 

Heute:

Unglaublich viele technische Neuigkeiten werden in die Fahrzeuge eingebaut. «Fahrassistenz», «Downsizing», «Hybrid» und … und … Mit unendlich vielen Bezeichnungen werden die Autos angeboten und hochgelobt. Sie sind nun effizient, sicher, schnell – und oft langweilig. Praktisch alles Originelle ist von den Strassen verschwunden. Ein Design-Einheitsbrei wälzt sich durch die Strassen.  Sogar die Farben sind auf Schwarz, Grau und Weiss reduziert worden.

Als Döschwobesitzer wird man jetzt bewundert. Jeder Dritte war früher Fahrer einer «Ente» und erzählt nun gerne und ausführlich über seine schönen Erlebnisse mit dem Wägelchen. Ehrfurchtsvoll werden die aktuellen (Fantasie-)Preise für verrostete Döschwos diskutiert. Die Ex-Studenten sind jetzt in der Oberschicht angelangt.  Nun als Arzt, Advokat, Manager oder Banker kauft man sich wieder nostalgieseelig einen top restaurierten Döschwo. Die Zwanzigtausendermarke darf locker überschritten werden! Heute werden Entenfahrer sogar aus Nobelkutschen gegrüsst! Gesellschaftlich und politisch ist man nun in der Oberklasse angekommen!  

 

Fazit.

Beim Döschwofahren durchfährt man sämtliche gesellschaftliche und politische Landschaften! Mit dem gleichen Auto und einer fast (hoffentlich) gleichbleibenden Grundhaltung! 

Author Henry