Nach dem guten finanziellen Ergebnis unseres Pfingstreffens 2015 haben wir, nebst dem Helferessen, einen Herbstausflug der Döschwo Fründe Bärn beschlossen. Dieser sollte auf Kosten der Klubkasse durchgeführt werden. Madeleine und Claudio haben uns dazu in den Sotto Ceneri eingeladen. Alle Helfer konnten sich anmelden, 14 haben es getan: Nicole, Marc und Nadja Bergundthal, Monique und Georg Blum, Gottfried Bühler mit Gemahlin, Evi Müller, Stefan Schübpach, Tamara und Peter Seewer, Melanie und Michael Streit und last but not least Philip Gyger. Als es Ernst galt, musste Gottfried Bühler gesundheitsbedingt leider passen, Monique Blum und Nadja Bergundhal waren wegen anderer Verpflichtungen unabkömmlich. Dafür brachte Evi Müller seine Sandkastenfreundin Sonja mit.
So waren es schliesslich 11 Unentwegte, welche die lange Reise nach Morbio Superiore wagten. Und das Unheil nahm seinen Lauf:
Freitag 9.9.16, 14:30h
Nach einem harzigen Start (Marc fand bei der Monsterbaustelle Eigerplatz keinen Weg zu mir) geht’s frohgemut Richtung Grimsel. Wir sind zügig unterwegs. In der finalen Steigung, dem Grimselpass selbst, spiele ich die überlegenen PS meines Visamotors aus, schalte in den dritten Gang und ziehe davon. Leider jedoch werde ich durch einen zögerlichen Toyota Agyo gebremst, sonst hätte es sicher einen neuen 2cv Bergpreis gegeben. Allerdings machen sich knapp unter der Passhöhe erste Aussetzer bemerkbar. Auf der Passhöhe gibt’s deshalb einen Kaffee und für unsere Maschinen eine wohlverdiente Pause mit geöffneter Motorhaube. Das sorgt doch für einiges Aufsehen im heutigen Einheitsbrei hochgezüchteter Karossen und Motorräder.
Danach tauschen Marc und ich die Autos. Nun geht’s in rasantem Tempo hinunter nach Gletsch und Ulrichen. Hier erwartet uns der Nufenenpass. Der ist visuell viel schöner, aber auch viel steiler als die Grimsel. So krieche ich, zusammen mit Nicole, mehrheitlich im ersten Gang den Berg hoch. Auch Marc hatte seine Probleme mit Leo. Dieser will partout nicht vom ersten in den zweiten Gang wechseln. Dank eines Saurertreffens im Bedrettotal sind wir aber bei weitem nicht die Langsamsten. Einen 2DM und einen alten M-Verkaufswagen verweisen wir klar in die Schranken! Das hätte aber wohl auch ein gut trainierter Fussgänger geschafft. Auf der Passhöhe des Nufenen schliesslich, immerhin auf 2477m, wechselt Nicole leichtsinnigerweise zu Marc in den Leo. Die folgende, temporeiche Abfahrt nach Airolo und der laute (Leo ist LAUT) sind offenbar gar nicht ihr Ding 🙁
In Airolo treffen wir Philip. Er kommt von einem Seminar in der Innerschweiz. Wir fahren nun gemeinsam über die Landstraße nach Faido und essen in der Osteria alle Birreria eine Pizza zum Znacht. Danach weiter, nun auf der Autobahn, Richtung Lugano, Chiasso. In Bellinzona muss ich tanken. Leo nimmt exakt 25l. Viel weiter wärs wohl nicht gegangen!?
Um ca. 22 Uhr treffen wir in Morbio Superiore ein und werden von Claudio begrüßt. Danach führt er uns nach Sagno in die Osteria ul Furmighin (Ameise)und da beziehen wir unsere Zimmer. Die Osteria ist ein klassisches Tessiner-Gasthaus, mit Loggia und Garten, welches wohl M.C. Escher als Architekten hatte. Verwinkelt, mit X Treppen, Passagen und Durchgängen. Es sollte jedenfalls seine Zeit dauern, bis wir mit Sicherheit zu unseren Zimmern zurückfinden. Für Nicole und Marc gibt’s ein klassisches Doppelzimmer, für Philip und mich ein 6er! Zimmer. Dies sollte später auch noch Stefan beherbergen. Die alleinstehenden Männer also alle zusammen. War das schön (und gegen 3 Uhr morgens auch laut!). Mehr Infos unter www.ul-furmighin.ch
Samstag 10.9.16
Morgens um neun setzen wir uns auf der Veranda zu einem reichhaltigen Frühstück zusammen. Schinken, Käse, Butter, Konfi und Honig. Alles war da, lokal produziert, sogar ein extra süßes Cake. Einzig der Kaffee und der Tee dauerte gefühlte Ewigkeiten. Aber wir sind ja im Tessin, in den Ferien.
Um 9:30 Uhr überrascht uns Claudio mit einem neuen Gast. Stefan ist morgens um fünf in Basel weg und jetzt schon hier. Nach unserer Begrüßung hat Stefan gleich auch mal kräftig zugelangt.
Um 11 Uhr sind wir dann alle nach Morbio Superiore. Madeleine und Claudio hatten zum Apéro geladen.
Kurz später treffen auch Melanie und Michael, Evi und Sonja, Tamara und Peter ein. Sie waren um 7 Uhr in Spiez gestartet und haben auch die Route Grimsel – Nufenen gewählt.
Claudio führt uns nun durch sein, oder sollte ich besser sagen, seine Anwesen. Wir sind alle sprachlos und auch ein bisschen neidisch. Was Madeleine und Claudio da zusammengetragen und -renoviert haben, sprengt die Grenzen unserer beschränkten Vorstellungskraft. Nicht nur Stefan staunt still vor sich hin. Nebst der äußerst geschmackvollen Renovation des Mutterhauses von Claudio, dem Chnuschperhüsli mit seinem Garten, überzeugt auch das vis à vis liegende Vaterhaus mit seinen renovierten Gebäuden, seiner Ferienwohnung, seinem Hof und seiner darin stationierten 2cv Sammlung. Und damit meine ich die drei Grossen, die unzähligen Modelle und all die übrigen 2cv Memorabilia. Wir können uns nicht sattsehen und fühlen uns so richtig wohl.
Nach dem interessanten Vortrag Claudios über seine Häuser und Morbio Superiore überrascht uns Madeleine mit einem reichhaltigen Apéro. Gut für diejenigen, welche eben erst eingetroffen sind. Die Osteria-Fraktion weiss, kurz nach dem Frühstück, nicht mehr so recht wohin damit. Mir geht es jedenfalls so. Die Höflichkeit gebietet aber Augen zu, Mund auf und durch!
Am Nachmittag, nach dem Zimmerbezug der Neuankömmlinge, geht’s auf die Ballade ins Valle di Muggio. Claudio schildert uns beim Briefing mit ernstem Blick, eindringlich und dramatisch die Gefahren der engen Strassen. Einige haben danach den Beifahrersitz vorgezogen, die meisten aber wollen es selbst wagen. Wie sich herausstellt, sind die Strassen teils wirklich sehr schmal und die Serpentinen zum Teil so eng, dass wir zurücksetzen müssen. Phippu, stehend im Fireball von Frontmann Claudio, dreht laufend Videos. Der Mann fällt dabei vor lauter Eifer fast aus dem Auto!
Als abgeklärte 2cv-Hasen aber meistern wir diese Prüfung mit Bravour und werden am Ende des Tals, in Roncapiano, mit einer spektakulären Aussicht aufs Tal belohnt. Claudio erzählt uns alte Schmugglergeschichten und wir dürfen der lokalen Bauernschaft beim Einbringen der Mahd zuschauen. Eindrücklich, wie der beladene Wagen mittels Seilwinde den steilen Abhang hochgezogen wird. Und wie der beleibte Aurolio mit seinem Trail-Motorrad den steilen Abhang meistert. Der wuchtet seine Maschine in der Falllinie hoch. Und das mit einer Eleganz einer Ballerina!
Später gibts ein Bierchen in der Osteria Manciana. Ein Muss nach tripadvisor etc. Dort sitzen wir alle wie die Hühner auf der schmalen Terrasse und ergötzen uns an den Autos, welche die Spitzkehre nicht kriegen.
Und bewundern den Tante Emma Laden, der wie aus einer anderen Zeit herüber gerettet erscheint. Die Dame auf dem Bild ist übrigens nicht die Tante Emma.
Gegen Abend geht’s dann zurück in nach Sagno. Wegen eines opulenten Hochzeitsessens im Italostil gibt’s Parkplatzprobleme vor der Osteria.
Schon gut eingelebt, lösen wir diese aber mit südländischer Nonchalance. Da wird dann halt mal doppelt oder dreifach parkiert.
Wir machen uns nun frisch für das Abendessen. Ein wunderschön gedeckter Tisch erwartet uns unten in der Loggia.
Die Karte verspricht Leckereien wie Ossobucco, Brasato und Cervalla (Gehirn) di vitello. Zu diesem kann sich aber niemand durchringen. Dazu gibt’s einen feinen Merlot von Sagno, der Rubino und die bekannte Tessinerpolenta. Nicht zu vergessen eine schöne Fleischplatte als Vorspeise mit all seinen Beilagen wie Cornichons, Oliven, Kapern und Zwiebeln, ernährungstechnisch offenbar der heimliche Renner unter 2cv-Fahrerinnen und -Fahrer. Zum Nachtisch geniessen einige einen rezenten Formaggini aus der Region mit seinem Honig. Die anderen loben die hausgemachte Pannacotta. Und schlussendlich gibt’s Kaffe und den unvermeidlichen Limoncello. Da bleibt es nicht bei einem und manch einer hat danach seine liebe Mühe mit dem M.C Escher!
Sonntag 12.9.16
Trotz ev. Unwohlsein wegen Limoncello und Co. ist heute zeitig Tagwache. Nach dem gemeinsamen Frühstück fahren wir alle nach Cabbio. Um 9 Uhr erwartet uns dort die Führung durch die Casa Cantoni in Persona von Frau Ghirlanda.
Die Dame ist sehr kompetent und engagiert. Das ethnografische Museum in der Casa, das Museo nel Territorio, soll Lust machen auf das ‚grosse Museum‘, das Tal selbst. Es dokumentiert die landschaftlichen Veränderungen im Tal durch die Besiedlung des Menschen. Und es illustriert eindrücklich, dass ohne die unablässigen Bemühungen des Menschen nur Wald wäre. Dunkler, undurchdringlicher, feindseliger Wald. Und es zeigt aber auch, dass die ‚gute, alte Zeit‘ nicht so toll war. Eigentlich war sie einfach nur pickelhart, ärmlich und unbarmherzig, speziell für die Frauen. Mehr Infos unter www.mevm.ch
Nach dem Rundgang durch die Casa Cantoni gibt’s noch eine Feldbegehung durch Cabbio. Hier redet sich Frau Ghirlanda nochmals in Rage wegen der fehlenden Empathie der Talbevölkerung für ihr Projekt. Und dem Siedlungsdruck durch die Neuzuzüger. Sie ist beeindruckend in ihrem Engagement. Aber irgendwie habe ich auch Mitleid mit ihr. Sie kann nicht anders, sie kann nicht aus ihrer Haut. Und die Aufgabe ist einfach zu gross für sie und ihren Mann.
Nach unserer Verabschiedung führt uns Claudio talwärts zu der alten Mühle, zur Mulino di Bruzella. Eine schöne Wanderung auf der alten Hauptstrasse durch Feld und Wald bis ganz zur Talsohle, wo die Breggia fliesst.
Eine Landschaft wie aus Herr der Ringe. Man erwartet jederzeit, dass Smiegel zwischen den Felsen hervorlugt oder Gandalf der Graue um die Ecke schreitet.
Aber es sind nicht diese Tolkien-Charaktere, es sind Madeleine und die Müllerin Irene Petraglio, welche uns erwarten. Diese erklärt uns ihr Reich aus Stahl, Stein, Holz und Wasser.
Beeindruckend, wie effizient unsere Vorfahren dieses kleine Flüsschen zu nutzen wussten. Die erste Aufzeichnung zur Mühle datiert von 1298, renoviert wurde diese vor 20 Jahren. Seit da betreibt Frau Petraglio die Mühle. Sie mahlt einerseits lokales Mais zu Mehl, die Grundlage für die unvergleichliche Polenta. Das Mehl wird verkauft, letztes Jahr waren es 17 Tonnen! Und andererseits überzeugt sie mit sehr charmanten und kompetenten Führungen. Die Renovation dieser Mühle war eigentlich der Grundstein zu dem Museo nel Territorio.
Und wieder überraschen uns Madeleine und Claudio mit einem weiteren, unvergleichlichen Apéro. Serviert auf zyklopischem Steinmobiliar neben der alten Mühle, unter uralten Bäumen über der rauschenden Breggia, ein unvergessliches Erlebnis! Serviert werden wieder feinste Wurstwaren und Käse, lokal produzierte Taco-Chips, wunderbare Weine und ein herrliches Mineralwasser mit Mandarinengeschmack. Es ist nur im Ticino erhältlich. Dem Mineral wird auch eifrig zugesprochen, weil nach dem Apéro ja die Rückfahrt nach Hause ansteht. Als dann allerdings bekannt wird, dass heute ja auch noch der Geburtstag von Claudio ist, gibt es kein Halten mehr. Wir singen ‚Happy Birthday dear Claudio‘ und lassen ihn mit einem Glas des hervorragenden Rosés hochleben. Ich bekräftige diese Wünsche gerne noch einmal an dieser Stelle.
Und ich danke, sicher im Namen unserer Reisegruppe und aller Döschwo Fründe Bärn, dir Madeleine und dir Claudio noch einmal ganz herzlich für den wunderschönen Ausflug, die tolle Organisation und all die ethnografischen, kulinarischen und menschlichen Highlights, welche wir durch euch kennenlernen durften!
What goes down, must come up oder war das umgekehrt? Jedenfalls wir müssen wieder hoch ins Dorf, zu unseren 2cv’s. Und das heisst eine halbe Stunde schweisstreibenden Fussmarsch bergauf in der Mittagshitze des Tessins. Bei den Autos verabschieden wir uns deshalb ziemlich exhausted von Claudio und voneinander und freuen uns auf die Heimfahrt in unseren klimatisierten Freunden. Dies gilt ganz speziell für den Schreiber mit seinem AZU mit Schiebe-, ähhhhh Blechdach.
Es ist nun ca. halb drei Uhr. Die Rückfahrt nehmen wir getrennt in Angriff. Evi und Sonja bleiben noch für ein paar Tage im Tessin, Tamara und Peter fahren via Centovalli, Simplon und Lötschberg nach Hause.
Melanie und Michu sind pressant, sie müssen heute abend noch ihre Kinder abholen. Nicole, Marc und Phippu fahren schon mal vor und ich folge mit Stefan später.
Diesen verliere ich allerdings unterwegs, hole aber Nicole, Marc und Phippu auf der Walliserseite des Nufenen wieder ein. Marc hat Fadingerscheinungen an seinem 2cv. Eine ruhige Fahrweise ist also angesagt. Wir fahren zusammen, bis wir uns bei Leissigen am Thunersee endgültig verlieren. Um halb neun bin ich glücklich, voller Eindrücke, müde und wohlbehalten wieder zuhause. Ich fühle mich, als ob ich im Minimum eine Woche in den Ferien gewesen wäre. So soll es sein und gerne wieder! Euer admin
Weitere Bilder findet ihr in unserem Mediapool!