Mission C15 – zweiter Teil

Wie gesagt, da fahre ich nun Richtung Süden. Erst wollte ich ja die Route über den grossen St. Bernhard und Italien nehmen, der mögliche Schnee hat mich aber zum Umdenken bewogen. Es macht keinen Sinn, mit diesem geliehenen Sahnestück Schnee und Salz zu riskieren. So fiel die Routenwahl (wie früher) über Genf, Lyon, Valence, Orange nach Nizza. Der Entschluss dazu kam aber erst spät. Ich entschied mich in Bern noch für die Autobahn Richtung Fribourg. Und durfte mich deshalb konsequenterweise schon ab Montreux mit der chronisch verstopften Autobahn entlang des Genfersees auseinandersetzen.  Diese zusätzliche Stunde sollte mir den ganzen Tag fehlen.

Die weitere Fahrt nach Nizza verlief problemlos. Einzig bei den Péages wusste ich nie so recht, ob ich mich für die Autos oder die Lastwagen entscheiden sollte. Entweder war der Schlitz für die Kreditkarte zu hoch oder zu tief!

Um vier Uhr nachmittags in Nizza angekommen, nahm ich die letzte Ausfahrt vor der italienischen Grenze. Mitten hinein in einen gepflegten Feierabendstau nach französisch/italienischem Muster. Ich schwitzte Blut bei all den Dränglern und Spurwechslern in ihren abgelutschten Kleinwagen. Nur keine Kratzer! Aber dies sollte erst der Anfang sein.

Der Verkäufer, M. Édouard Daideri, hatte mir eine Adresse in der Gemeinde  Lucéram angegeben. Diese Gemeinde liegt in den Bergen hinter Nizza Richtung Col de Turini. Wunderschönes Bergland, aber steil, sehr steil. Die anfängliche Schnellstrasse wurde rasch schmaler, der Verkehr immer weniger, die Berge rückten bedrohlich zusammen und die Steigung erforderte zunehmend steile Serpentinen.  Wie geschaffen für meinen beachtlichen hinteren Ueberhang! Gottseidank zeigte sich der Himmel von seiner azurblauen Seite.

Schliesslich erreichte ich einen schwindelerregendes Viadukt über den schäumenden Paillon. Ich stellte auf einen kleinen Parkplatz aus und rief M. Daideri an. Wir hatten hier den Treffpunkt ausgemacht. Ab hier führte eine Seitenstrasse in seinen Wohnort in les Mounts. Die Breite und der Zustand des sichtbaren Teils dieser  „Strasse“ liessen Böses ahnen. Mein Plan war es deshalb, den Transporter hier stehen zu lassen, den C15 zu holen und auf diesem Parkplatz zu verladen. Das war aber leider nur mein Plan. M. Daideri bestand darauf, den C15 an seinem Wohnort zu verladen, weil er dessen Versicherung gekündigt hatte.

Er fuhr also mit seinem kleinen Peugeot vorne weg und ich folgte ihm. Es war der absolute Horror. Das Strässchen war nur unwesentlich breiter als mein Transporter. Es schraubte sich, gesäumt von Mauern, Felsen und Abgründen, endlos und erbarmungslos in die Höhe. Immer mal wieder kam uns ein Einheimischer entgegen. Die Kreuzungsmanöver waren die Hölle. Ich wollte und musste Rolf seinen H-Wagen unbeschadet zurückbringen. Den Anwohnern war ein Kratzer mehr oder weniger egal. Und genau so verhielten sie sich auch. Zudem nachtete es schnell ein. Die im Stau Lausanne/Genève verlorene Stunde fehlte mir nun. Ich kam definitiv an meine Grenzen. Ich hatte ja schon gute 8 Stunden Autobahn in den Knochen.

Glücklicherweise erreichten wir das Gipfelplateau noch bei Tageslicht. Hier gab es erstaunlicherweise einige Häuser. Eines davon war die Ferme von M. Daideri. Und da stand dann also „mein“ C15 mitten zwischen einem Haufen Unrat, verteidigt von einen bedrohlich kläffenden Köter. Der erste Anblick war erbärmlich. Meine Verfassung auch. Das bewog mich reflexionsfrei zum spontanen Angebot von €1000 (der Wagen war für €2990 ausgeschrieben). M. Daideri schluckte leer und ich legte mich der Form halber unter den Wagen. Aber halt, waren das nicht neue Bremsleitungen? Die Halbwellen schienen auch gut im Schuss, der Motor recht trocken. Und ich konnte KEINEN Rost erkennen. Ausserdem hatte der Wagen ja vor 2 Tagen die Contrôle technique ohne gravierende Mängel bestanden.

All das bewog mich, mein Angebot auf €1500 zu erhöhen. Die Gesichtszüge von M. Daideri hellten sich wieder ein wenig auf und er schlug ein. Mit der linken Hand. Dazu muss man wissen, dass er sich vor einem halben Jahr beim Holzfräsen fast die rechte Hand abgesägt hatte. M. Daideri ist ein sehr freundlicher, stiller und duldsamer Mensch. Nach der kürzlichen, dritten Operation wurde ihm klar, dass er seinen geliebten kleinen C15 nie mehr würde schalten können. Nie mehr die Handbremse lösen. Ohne dieses Handicap hätte er sich niemals von seinem C15 getrennt. Ist ja auch der absolut angesagte Wagen in dieser Wohngegend. Er musste gezwungenermassen auf einen kleinen Peugeot mit Automat umsteigen und ist sehr unglücklich damit.

Inzwischen war es Nacht geworden. Nach dem Tiefschlag meines Angebots musste ich nun M. Daideri eröffnen, dass ich nächtens auf keinen Fall den Berg hinunterfahren würde. Absolut undenkbar. Ich brauchte also einen Platz zu schlafen. Aber auf dem Berg gibt es keine Betten, jedenfalls nicht im Januar. Was tun? M. Daideri war von diesem Problem sichtlich überfordert. Wir dislozierten erstmal zu seinem Nachbarn, welchen er fürs Schriftliche avisiert hatte. Wegen seiner Hand konnte der Arme ja selbst nicht mehr schreiben. Während der Abwicklung des Papierkrams suchte die Frau des Nachbarn ein Hotel für mich. Das fand sie auch, allerdings lag es im Zentrum von Nizza. Bis da ists knapp eine Stunde Fahrzeit. M. Daideri sah es als seine Aufgabe, mich dahin zu chauffieren. Ich unterstützte diesen Gedanken lebhaft. Und so speiste ich schliesslich spät, aber hervorragend an der Place Garibaldi.

Pünktlich morgens um 8 Uhr stand mein Chauffeur M. Daideri wieder vor dem Hotel. Wegen des Morgenstaus wollte er so früh. Ein frommer Wunsch! Der Streik bei den ÖV zwang nun wirklich jeden Pendler in sein Auto. Wegen eines Unfalls wurde kurz nach acht Uhr la Pénétrante, also die Schnellstrasse Richtung Lucéram gesperrt. Quel bordel ! Und ausgerechnet an diesem Tag eröffnete M. Nicolas Sarkozy ein neues Stadion in Nizza. Die unzähligen Mannschaftsbusse mit Bereitschaftspolizei zu seinem Schutz trugen auch nicht gerade zur Entspannung der Situation bei. Nizza versank im Stau. Und wir mitten drin.

Zwei Stunden später waren wir endlich wieder auf dem Berg. Verladen war er schnell, der C15. Der absenkbare Transporter von Rolf ist dafür ideal. Danach verabschieden, ein letztes Foto und gaaaaaanz  ruhig von diesem vermaledeiten Berg runter. Das hatte mir schon den ganzen Morgen auf dem Magen gelegen. Ich war sehr glücklich, als ich gegen Mittag schadenfrei in die Autobahnauffahrt Richtung Marseille einbog. Bravo Schorsch!

Der weitere Verlauf der Rückreise verlief unspektakulär. Ein kleiner Stau auf der Peripherie von Lyon wegen eines gewaltigen Gewitters. Mehr war da nicht. Ich übernachtete nochmals in der Nähe von Bourg en Bresse. Wenn du ein Auto importierst, macht ein Grenzübertritt gegen Abend keinen Sinn. Aber das ist eine andere Geschichte. Bei Interesse schildere ich den Grenzübertritt, oder besser den Import eines Autos aus Frankreich, gerne in einem weiteren Artikel. Also, im Fall bitte melden.